Bei einer der historisch-politisch-literarischen Tagungen von ver.di im Bildungszentrum Clara Sahlberg am Wannsee in Berlin:
Jost Hermand kommt in seinem Vortrag beiläufig auf die frühe „documenta“ in Kassel zu sprechen. Was höre ich da? … eine Veranstaltung des Kalten Krieges, typisch Klima der Mitte der fünfziger Jahre, in der Gründung stark von der CIA durchsetzt, nicht (nur oder vielleicht/weniger) auf die Wiedereinbürgerung der ins Exil getriebenen Künstler und ihrer Kunst gerichtet, sondern stark und vor allem gegen den als (wegen des „sozialistischen“) prinzipiell als schlecht verabsolutierten Realismus. Nur vor diesem Gegenbild sei die positive Herausstellung des Abstrakten zu verstehen.
Da regt sich – nicht nur innerer – Widerspruch: Will der mir „meine“ documenta rauben? Waren da nicht z.B., außer Arnold Bode, integre Menschen wie (die verfolgten) Adolf Arndt und Erich Lewinski – ein aus Kassel vertriebener Anwalt, Mitglied des ISK; nach dem Krieg Landgerichtsdirektor und dann Landgerichtspräsident – in den Errichtungsgremien, die ja vor nicht nur hessischer, sondern auch Bundesprominenz nur so wimmelten?
Wie recht Jost Hermand hatte, sehen wir heute. In Berlin ist eine viel diskutierte und Diskussionen anstoßende Ausstellung vertieft dem Thema gewidmet. Über den „gewendeten“ Gründungskurator Werner Haftmann lesen wir nicht Gutes aus seiner Zeit schon in Zivil in Italien und dann vor allem auch als Angehöriger der Wehrmacht tätig bei der „Partisanenbekämpfung“.
Jost Hermand fiel als Wanderer zwischen Bundesrepublik alt und DDR, zwischen Deutschland und den USA aus dem Rahmen, er war „aus der Zeit gefallen“. Aber richtiger ist wohl: Er war der Zeit voraus. Da kommt die Zeit schwer hinterher und nun ist es für die Bitte um Entschuldigung zu spät.
Hans-Ernst Böttcher, Präsident des Landgerichts i.R., Lübeck.